Montag, 16. Dezember 2013

"Darf ich Dich mal kurz aus Deiner digitalen Zauberwelt reißen?"

Fragt mich grade die Barfüßige Gräfin, es ist früher Nachmittag. Ihr Unterton ist nicht zu überhören. Ich sitze auf dem Wohnzimmersofa, über den Laptop gebeugt, und surfe durch das Internet und versuche, einen stressigen Arbeitstag in Rekordtempo auszuschwitzen.

Die Gräfin steht in der Tür, gestiefelt und gesport. Sie wird einkaufen fahren. Mit meinem Auto. Das sie jetzt fahren darf, weil ich sie mit in die Versicherung nahm. Die Dame hat den Führerschein, und einen befristeten Job weiter weg. Also machte sie große Augen und ein kleines Gesicht, und ich nahm eines Tages den Hörer in die Hand und rief meine Autoversicherung an. Frei nach den Motto: "Mein Name ist Müller, ich kaufe hier ein.", kündigte frisch ich an, das Kind in die Versicherung nehmen zu wollen, ob man bitte schnell die Formalitäten erledigen könne und mich informieren, was das mehr koste. Die freundliche Dame fragte mich nach dem Geburtsdatum der Barfüßigen Gräfin und rechnete etwas und räusperte sich. Ich mache es kurz, außerdem redet man nicht über Geld. Nur so viel: Für das, was das pro Monat kostet, hätte ich auch einen Porsche 911 leasen können. Aber es hilft ja nichts, die Jugend muss mobil sein.

Dennoch - so dachte ich - muss für die Mutti was herauspringen bei dem Deal. Und da kam ich auf die Idee, dass das Kind ja dann einkaufen könne mit der Schüssel. Die fiesen Sachen, die keinen Spaß machen und doch immer wieder fällig werden, mit einer deprimierenden Monotonie. Sprudelwasser, Klopapier, Gouda und Katzenfutter. Joghurt, Spaghetties, Pizza. Und meistens muss die Barfüßige Gräfin erst los, wenn ich schon wieder zuhause bin und das Auto nicht mehr brauche. Tja, und das tut sie jetzt auch, einkaufen, und das (noch) mit Freude. Weshalb sie eben in der Tür stand, um mir noch eine Frage zum Einkaufszettel zu stellen. Im Hintergrund huscht Simson, die mit einkaufen fährt, die beiden haben auch den Einkaufszettel größtenteils entworfen.

Und ich sitze hier in meiner digitalen Zauberwelt und schäme mich kein bisschen. Manchmal muss man auch mal deligieren können, und heute der Tag war durchaus seltsam, ein sehr befremdlicher Tag.

Nach dem Aufstehen muss ich erfahren, dass Joan Fontaine gestorben ist, erster Schlag ins Kontor, das ging mir etwas nah, aus Gründen der Zeitgeschichte und überhaupt. Auf der Fahrt zur ungeliebten Arbeit ein wolkenverhangener Vollmond, so seltsam, dass es mich nicht gewundert hätte, einen Werwolf zu sichten. Auf der Arbeit viel los, und auf dem Rückweg im Radio das Kol Nidre, und ich muss frei nach des Kaisers großen Worten fragen: "Jo mei, haben wir's denn schon wieder Yom Kippur?" Ein seltsamer Tag.

Weswegen ich mal kurz abtauche und die Jugend Kraftakte vollführen lasse, auf die ich heute definitiv keine Lust habe.

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