Mittwoch, 26. Oktober 2016

Herbstblues

Meine Oma hat mir früher auf die Butterkekse von Bahlsen Butter geschmiert, das ist saulecker.
So eine Oma war das. Ein Vollprofi im Oma-Business.
Wenn sie mir einen frischen Orangensaft machte, dann hat sie nicht nur ein paar Orangen ausgepresst. Sie hat den Saft zusammen mit Zucker und Sahne verquirlt, mit ihrem Handmixer, bis das Getränk schaumig und göttlich war. Sie sagte dann: "Das tut Dir gut, mein Kind." Das hat sie wirklich gesagt.
So eine Oma war das. Eine Michelangela der Fürsorglichkeit.
Wenn es Winter war und die Tage kurz und dunkel, dann hat sie die Höhensonne rausgeholt und mich welkes Stadtpflänzchen davor gesetzt, meine Augen mit einer Schutzbrille versehen, die volle UV-Dröhnung. Danach schmierte sie mir Bébé-Creme ins Gesicht, einen Zentimeter dick, und stellte sich vielleicht vor, wir wären gemeinsam in ihrer geliebten Schweiz.
So eine Oma war das. Unschlagbar.
Sie nannte Grapefruits "Pampelmusen" und manche Frauen "apart".
Eine Frau Waas mit Weltklasse.
Freundlich und gütig. Ich habe sie nie, in dreißig Jahren nicht, jemals schlecht über einen Menschen sprechen hören. Vielleicht hat sie das mal, aber nicht in meiner Anwesenheit. Alles, was hart war oder bedrohlich oder schmutzig oder gemein oder zynisch hatte Hausverbot, jedenfalls, wenn ich da war, oder mein Bruder oder ein anderes Kind unserer Familie. Nicht ein einziges Mal war sie ungeduldig mit mir, in dreißig Jahren nicht.
Manchmal saß ich in ihrer Küche und erzählte ihr Dinge, während sie abwusch oder kochte oder Teig knetete. Sie sagte dann in meinen Redefluss Dinge wie "Sicher, mein Schatz", zerstreut, aber mit dieser warmen Güte, und ich wusste, dass sie mir gerade null zuhörte und mit ihren Gedanken ganz woanders war, und es war mir egal. Wir freuten uns, dass wir beisammen waren und machten unser Ding, wir beiden Lotten.
Manchmal erzählte sie uns die Geschichten, wie sie damals nach dem Krieg Schnaps in den britischen Sektor schmuggelte, durch den nachtfinsteren Harz, und gegen Essen tauschte. Da konnte ich nicht genug von bekommen, von diesen Räuberpistolen. 
Heute ist so ein Tag, da hätte ich nichts gegen eine Runde Höhensonne, und danach einen Orangenshake à la maison. Und vielleicht ein bisschen quatschen und eine spannende Schmugglergeschichte.
Das wäre nicht schlecht.

2 Kommentare:

Der Herr Alipius hat gesagt…

Das Doppel-Lotte-Photo kenne ich zwar schon seit ich denken kann, aber ich muß immer noch grinsen, wenn ich es sehe!

Charlotte hat gesagt…

Ja, das ist echt witzig... :-)