Samstag, 13. Oktober 2012

Oldies, but goldies, nächster Teil


In der Zeitung steht:
"Feuer zerstörte historische Saline."
Ich lese:
"Frau zerstörte historische Praline."
Da müssen dann wohl mal die Psychologen ran. Allerdings hätte ich das mit der Praline wesentlich interessanter gefunden, ich war enttäuscht, als mir mein Verleser klar wurde. Salinen finde ich nämlich langweilig, lungenschwache Omis, und etwas unheimlich.
Historische Pralinen haben diesen Hauch Marie Antoinette, der Leichtigkeit des Seins, die so unvermittelt in einem rollenden Kopf enden kann, das ist besser irgendwie, stilvoller als Bluthusten allemal.

Man stelle sich vor:
Eine übergewichtige Amerikanerin, die gerade von einem Reisebus ausgespuckt wurde, 'Europe in 20 Days'. Sie trägt lilafarbene Shorts, Turnschuhe und Tennissocken, ein Polohemd, das in die Hose gestopft ist, um die nicht vorhandene Taille eine Tasche geschlungen, und auf dem Kopf ein Cappi, und sie besucht gerade mit ihrer Reisegruppe ein historisches Schokoladenmuseum, sie ist eh schon im Trance, sie wähnt sich wirklich im Himmel, nach all den amerikanischen Lustlosigkeiten, Süßes, das nur auf Fett und Farbe konzipiert ist, steht sie hier, im Historischen Schokoladenmuseum Bad Schlonzheim, umgeben von diesen ganzen duftigen, eleganten Gebilden, und in der Mitte, unter einer Glaskuppel, da steht sie, "Bijoux de la Reine", einzig Erhaltene ihrer Art, angefertigt 1774 vom Hofchocolatier Maitre Cari für Marie Antoinette, anlässlich ihrer Thronbesteigung.
Unsere amerikanische Touristin und Schokoladeliebhaberin, ohnehin kaum noch Herrin ihrer Sinne, sieht diese Praline da hocken, diesen Meilenstein raffinierter Chocolatierskunst, Inbegriff französischer Finesse und Savoir Vivre, hört noch den Text, den die gelangweilte Kunstgeschichtsstudentin, die sich hier gerade die Miete für das nächste Semester zusammenfaselt, von sich gibt, hört am Rande die Wörter "einzigartig", "Thron", "Schönheit", "unwiederbringlich", und dann stürzt sie halt los, dann ist's aus, sie schubst die Glasglocke weg und isst die Praline, ist doch klar.
Sie lächelt, als sie abgeführt wird. Ihr Leben ist aus der Masse herausgetreten, sie wird mit Gerdi, Gretchen und Jane nicht den Heimweg nach Oregon antreten, und das ist gut so.

Sie wird in den Kerker kommen, genau wie sie, l'Autrichienne, in einen finstren europäischen Kerker, und sie wird schmachten, für ihre Überzeugung, für das, was sie ist, eine Geborene.

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