Mittwoch, 19. Dezember 2012

Und wieder durch die Fußgängerzone, wieder durch den Weihnachtsmarkt, langsam wird mir der Weg fad. Wenn man heraustritt aus dem Einkaufszentrum läuft man in eine Wolke des Glühweinnebels. Die einzigen Buden, an denen verlässlich etwas los ist, die Buden mit dem Alkohol. Links ein Kinderkarussell, Autos und Motorräder, die sich zu Schlagermusik im Kreis drehen. Es steht gerade, wie meistens. Ich sehe es kaum in Aktion, die Musik läuft trotzdem, und der Mann, der das alles am Laufen hält sitzt missmutig in seinem Häuschen. Heute aber sitzen zwei Jungs in einem Auto, die Rücken gerade durchgedrückt, erwartungsfroh. Ihre beiden Väter, die nicht Deutsch mit ihnen sprechen, stehen lachend dabei. Sie lachen und sehen den Mann an, den, der die Macht hat, sie lachen und sehen den Mann im Häuschen an und beschreiben mit dem Zeigefinger einen Kreis, fang an das Vergnügen!, und der Mann im Häuschen ist es nicht mehr gewöhnt, dass irgend jemand sich an seinem Karussell freut, er selbst wahrscheinlich am allerwenigsten, die beiden Männer lachen und beschreiben ihren Kreis, fang an das Vergnügen!, und der Mann starrt die beiden an, denn er ist Freude nicht mehr gewöhnt, und er fühlt sich vielleicht ausgelacht, vielleicht findet er auch, dass es so auf einem deutschen Karussell nicht zugeht, dass keiner ihm befiehlt, er starrt die beiden Männer an und sein Gesicht vollkommen starr und ohne den Blick abzuwenden, der Blick ist voller Verachtung, drückt er einen Knopf, seine Hand bewegt sich, nur seine Hand, verächtlicher Blick, Hand bewegt sich, und es ertönt diese Kirmes-Tute, dieses vielstimmige Horn, das den Beginn der Freuden ankündigt, das Horn ertönt, die Männer lachen, und er starrt sie hasserfüllt an, die  beiden, und in dem Augenblick will ich den kompletten Weihnachtsmarkt aus dem Boden reißen, wie Superwoman mit wehendem Cape und schwellenden Muskeln, diesen Weihnachtsmarkt aus dem Boden reißen mit seinem Plastik und seinen Kulissen und dem Fettgeruch, mit den Betrunkenen, dem Kitsch und den Schlagern und ihn in die Sonne schleudern. Weg mit dieser erodierten, ausgehöhlten Orgie an Plastik und Alkohol und Missmut und ab in die Sonne damit, weil ich es nicht mehr aushalte. Aber ich bin nicht Superwoman, und die beiden Väter haben den Blick nicht wahrgenommen, sie freuen sich einfach, wie ihre Söhne, und auf einmal finde ich den Knilch im Kassenhäuschen nur etwas lächerlich, es war definitiv lächerlich, die zwei so verachten zu wollen und solche Blicke zu schmeißen und dann so eine irgendwie seltsam mehrstimmige Tute zu aktivieren, die den Beginn der Freuden ankündigt. Lächerlich.
Weihnachtsmarkt, nichts für dünne Haut.

2 Kommentare:

Der Herr Alipius hat gesagt…

Die Geschichte ist traurig wegen des Karussellhäuschenknilchs. Aber sie ist schön wegen der Männer, die sich freuen, weil ihre Buben bald auf dem Karussell rumsausen.

Dich als Superwoman im Weihnachtsmarktvernichtungsrauch hätte ich allerdings schon gerne gesehen...

Charlotte hat gesagt…

Da stehst Du wohl nicht alleine da, mit dem Wunsch zu sehen, wie ich mich im Superwomankostüm zum Vollhorst mache. Aber da müsste ich erst mal selber an den Glühweinstand. Lange.