Montag, 6. Januar 2014

Für A., versprochen ist versprochen!

„Pulverknall und Schwefeldampf“

Rathenow Eklat bei Podiumsdiskussion um Jugendromane 
Bei einer Podiumsdiskussion im Bibliothekssaal des Schlosses Brünnenhuld spielten sich am gestrigen Abend teilweise turbulente Szenen ab.
Geladen zur Diskussion hatte Freya von Donnersmuth, Schlossherrin und ehemalige Weggefährtin der Diplom-Sozialpädagogin, Heilpädagogin und Drama-Therapeutin Erdmute Schöller-Schnepfenhain.
Den Abend eröffnete Frau von Donnersmuth ("Ich bin von märkischem Grase, stehe frei im Sturme, nicht in der Vase!") mit einem Vortrag über die Jugendromanreihe "Hotzenplotz" des Autors Ottfried Preußler. Der Titel "So weit die Bäuche tragen. Zur Handlungsmotivation in den 'Hotzenplotz'-Romanen" ließ auf Anhieb vermuten, dass hier ein Gegenentwurf zum Schöller-Schnepfenhain'schen Ansatz der feinstofflich-allumfassenden Rezeption verschiedener Figuren und ihrer Bedürfnisse erfolgen sollte (wir berichteten), und der Eindruck täuschte nicht.
Schon der Auftritt Frau von Donnersmuths um Punkt 19:30 Uhr, ihr Einmarsch in die stille Bibliothek über knarzendes Parkett, ließ keinen der ca. 30 auf Klappstühlen platzierten Zuhörer im Zweifel: Hier kommt eine Frau, die meint, was sie sagt, und die sagt, was sie meint. 
Ihr Mann, Alwin von Donnersmuth, nahm wie üblich im Hintergrund des Rednerpults Platz. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Ereignisse drucken wir das Originalskript des Vortrags ab, dies selbstverständlich mit Genehmigung Frau von Donnersmuths ("Versteckte Rede, versteckter Sinn! Ich habe nichts zu verbergen!").
So weit die Bäuche tragen. Zur Handlungsmotivation in den 'Hotzenplotz'-Romanen
"Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, lassen sie uns nicht lange um den heißen Brei herumreden: Es besteht Grund zur Sorge! Wie eine unlängst erfolgte Vortragsreihe einer gewissen, in Seidenschals gehüllten und bernsteinbehangenen Dame uns glauben machen soll, sei die Romanreihe 'Hotzenplotz' vorbildlich für die Jugend. Dem wollen wir uns in so weit anschließen, als dass die agierenden Jugendlichen über ein gewisses Maß an Frische, Mut und Witz verfügen. Tugenden, die keinem Angehörigen dieses schönen Menschenalters abgehen sollten.
Jedoch kommen wir nicht umhin, gravierende Einwände zu erheben.
Betrachten wir einmal die Handlung, das simple Spiel von Ursache und Wirkung. Wir haben hier den Hotzenplotz, ein gestandenes Mannsbild, das eine Kaffeemühle stiehlt. Weil sie so hübsche Musik beim Mahlen spielt? Wir haben eine Großmutter, eine Hausherrin und Haushaltsvorstand, die sich auf Grund des Diebstahls weigert, ihrer Pflicht nachzukommen, nämlich Pflaumenkuchen mit Schlagsahne zuzubereiten. Ferner die beiden Halberwachsenen Kasperl und Seppel, welche sich aufmachen, den Räuber dinghaft zu machen. Warum tun sie dies? Um die Großmutter zu rächen? Um dem Gesetz Geltung zu verschaffen? Nein, meine Damen und Herren, sie beginnen zu handeln, um das Pflaumenkuchen und Schlagsahne-Embargo der Großmutter zu beenden! [Pause, um Empörung Raum zu geben]
Wir haben einen mächtigen Zauberer, dessen einziges Lebensziel ist, Kartoffeln in den größtmöglichen Mengen zu verschlucken?
Im zweiten Handlungsteil der Trilogie sieht es nicht besser aus, nur, dass hier Bratwurst mit Sauerkraut den Handlungsmotivator Pflaumenkuchen mit Schlagsahne ablösten.
Da frage ich mich und Sie: Wo sind wir hier eigentlich? Was ist dies ein Arsenal an Infantilen, Pflichtvergessenen und Hedonisten? Wo ist hier das Beispiel? Wo das Vorbild? Wo der Traum? Wo gehen wir hin, wo kommen wir her?
Wofür zogen Leonidas und seine Recken an die Thermopylen? Für Sauerkraut? Was visionierte Konstantin am Vorabend der Schlacht? Eine Bratwurst? Wovon träumte Beethoven, als er die unsterbliche Eroica schrieb? PFLAUMENKUCHEN MIT SCHLAGSAHNE???!!! [Pause, Handschlag auf das Pult]
Nein, meine Damen und Herren, nein.
Einzig Wachtmeister Dimpfelmoser, beschrieben als "hilflos und willkürlich agierend", versucht, diesem versammelten Irrsinn Form und Struktur zu geben. Er, einzig er, der versucht, den abstrakten Gedanken von Recht, von Unschuldsvermutung zu bewahren und durchzusetzen. Er, einzig er, der bestrebt ist, Gesetz und Indizien Raum zu geben, und nicht den Bauch wild nach vorn preschen zu lassen. Einzig er, welcher das Prinzip der Freiheit unter dem Gesetze zu leben scheint.
Und womit überzeugt der Hotzenplotz schließlich Kasperl und Seppel von seiner Sinneswandlung? Mit einer flammenden Rede? Einer berührenden Schrift? Einer überzeugenden Geste der Buße? Na-hein, liebe Zuhörer, er überzeugt die beiden mit Schmorfleisch und Slibowitz! Heranwachsende, die dem Alkohol zusprechen! Mein Gatte kann Ihnen bezeugen, dass es von jeher mein Motto war: "Lippen, die Alkohol berührten, sollen nicht die meinen berühren." So hielt ich es und so halte ich es. Ich werde darüber keine weiteren Worte verlieren.
Doch nun frage ich Sie: Warum? Was ist es, das die Jugend und auch die Erwachsenen so in die Irre gehen lässt? Was ist es, das Kasperl und Seppel, die beiden jungen Burschen, so lustorientiert und verantwortungslos handeln lässt? Ist es nicht die Abwesenheit eines Vaters? Eines Mannes? Einer starken männlichen Hand, die Ihnen den richtigen Weg zu weisen vermag? [...]"
An dieser Stelle fand der Vortrag leider ein allzufrühes Ende, denn aus dem Zuschauerraum schlug eine bis jetzt nicht zu ermittelnde Hörerin vor, zu dem Thema der starken männlichen Hand doch Frau von Donnersmuths Gatten zu befragen, der, so angesprochen, unsicher seine Frau ansah. Frau von Donnersmuth hingegen spähte in den Saal und zischte mehrmals den Namen "Erdmute".
Die darauffolgenden Szenen waren hektischer Natur. Frau von Donnersmuth verließ das Rednerpult, um sich mit einer für ihre Körperfülle erstaunlichen Gewandtheit unter die Zuschauer zu begeben. Zwischen den erschrocken zur Seite Springenden sei, so sagten später einige Zeugen einvernehmlich aus, eine schmale Frauengestalt in wehenden Gewändern rasch und lautlos Richtung Ausgang geglitten, einen leisen Duft von Räucherstäbchen hinterlassend.
Der seiner Frau gefolgte Alwin von Donnersmuth versuchte, die Zuschauer zu beruhigen, was ihm auf Grund seiner leisen Stimme und geringen Körperhöhe allerdings nur schlecht gelang.
Die im Anschluss geplante Diskussion entfiel leider, sie soll jedoch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Unbestätigten Gerüchten zu Folge soll ein lokaler Fernsehsender planen, im Rahmen eines kulturellen Beitrags die beiden Koryphäen Schöller-Schnepfenhain und von Donnersmuth in einem Fernsehinterview gemeinsam zur Sprache kommen zu lassen.
Wir halten Sie auf dem Laufenden.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Im Namen von (Haupt-) Wachtmeister Dimpfelmoser, vielen Dank... :-)


A.A.W.W.

Charlotte hat gesagt…

Aber selbstverfreilich! ;-)

Anonym hat gesagt…

Aber wir wissen doch, was der Traum ist: der Pflaumenkuchen m. Schlagsahne bzw. die Bratwurst mit Sauerkraut!
Ich nehme an, dass die Vortragende per se nicht viel von kulinarischen Genüssen hält.
Und dann bin ich gespannt auf das Diskussionsduo Schnepfenhain/Donnersmuth...

Der Herr Alipius hat gesagt…

** gacker **...

Sehr schön!

Anonym hat gesagt…

Ich sitze ganz erschüttert vor meinem Bildschirm aufgrund dieses Hilfeschreis der vaterlosen Gesellschaft.
Vielen Dank, absolutely made my day!

Charlotte hat gesagt…

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