Montag, 15. November 2021

Neulich, an der Wohnungstür

Früher Abend. Herbstdunkel. Eine stille Wohnung, leise rauscht die Heizung, flackerndes Kerzenlicht auf den Wänden. Auf der Couch die Lässige, mit ihrer Xbox beschäftigt. Frieden.

Es klingelt, ich merke auf, ich drücke auf.

Heraufgestiefelt kommen zwei Mädchen, um die 10 Jahre alt. Mütze, Zopf, die Martinslaterne in der Faust. Ein inzwischen ungewohntes Ereignis. Ich bin mindestens genau so verlegen wie die beiden. Als sie sich vor mir aufgebaut haben, breche ich unter dem Druck der Geschehnisse zusammen. Ich schnappe mir die Schüssel mit Süßigkeiten, die in der Diele seit Tagen Staub ansetzt, und frage: "Wollt Ihr direkt und das Singen überspringen?!"

Die beiden beschämen mich mit ihrer Entschlossenheit. Sie schütteln verneinend den Kopf, schauen sich an, nicken sich ernst zu und legen los: "Sankt Martin, Sa-hankt Maartin...!" Der absolute Klassiker, und das nicht gerade verhalten gesungen. Ich kann mich kaum lassen vor Rührung. Irgendwann entgleitet ihnen der Text, sie beenden die erste Strophe mit "sein Mantel trug ihn fort geschwind.", was der Würde ihrer Darbietung keinen Abbruch tut. Ich reiche ihnen die Schüssel, sie bedienen sich, wir bedanken uns gegenseitig, sie schwirren ab.

Ich hoffe, dass im nächsten Jahr wieder Martinszüge stattfinden, ich komme langsam aus der Übung, was Rührung angeht, das ist nicht gut. Da muss man im Training bleiben, für die Seelengeschmeidigkeit. 

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