Historische Ereignisse...

... kommen manchmal ganz leise daher.

Die letzten vier Jahre suchte die Barfüßige Gräfin im Sommer immer ihren Geheimplatz auf. Es ist dies ein Plätzchen am Ruhrufer, welches, nach ihrem Bekunden, abgeschieden und einsam liege, schattig, nicht einsehbar, leicht erreichbar und badetauglich dazu. Sie kehrte von diesem verwunschenen Ort immer ausgeruht und gebräunt zurück, glücklich und... schweigend.

Denn sie verriet ihn nicht, diesen Zauberplatz. Alles Bitten, Flehen, Drohen und Schmeicheln war vergebens. Sie schwieg still. Dann, in einer resignierten Stunde, bat ich sie, beizeiten, wenn die Zeichen bei ihr auf Abschied stünden, dieses Geheimnis an ihre kleine Schwester weiterzugeben. Wenigstens dies, wenn sie ihrer abgezehrten Mutter schon keinen Kurztrip gönne (aber wer beklagt sich).

Und gestern war es wohl so weit. Ich lag auf dem Balkon, im Schatten, flach atmend, Bewegung meidend (das habe ich der Katze abgeguckt), wünschte mich gerade an ein schattiges, kühles, einsames Plätzchen am Ruhrufer, da kommt die Barfüßige Gräfin angeschlenzt (sie war eigentlich shoppen, mit Simson) und sagt: "Ich hab Simson den Platz am Fluss gezeigt", und uns beide wehte dann die Größe des Augenblicks kurz an, bevor sie von einer schwülen Frühsommerbrise erschlagen wurde.

Jetzt ist es also soweit: Die Barfüßige Gräfin hat ihr Abi, ihren Führerschein und Pläne im Kopf, die mit unserem verschlafenen Ruhr-Nest wohl nicht allzuviel zu tun haben. Sie hat den Staffelstab weitergereicht und die Familientradition gewahrt. Ich bin stolz und etwas traurig.

Und ich schwitze und könnte jetzt ein schattiges, kühles, einsames Plätzchen am Ruhrufer gebrauchen. Ob sich vielleicht Simson meiner erbarmt?

(P.S.: Der Himmelblaue ist für solche Feinheiten nicht zu haben. Der lümmelt mit einer Horde Gleichaltriger am Bootssteg und hüpft in die Fluten, am besten mit Salto. Der hat's leicht.)